5 Kriterien für Teams
So gut wie jede Organisation setzt heutzutage auf selbstorganisierte Teams. Dieses Wort wird so inflationär genutzt, dass es sich meiner Meinung nach lohnt die Bedeutung des Wortes zu hinterfragen. Arbeitest du in einem echten Team oder in einer losen Gruppe zusammengewürfelter Menschen? Hier ein paar Impulse, mit der Absicht dir ein differenzierteren Blick auf Teams anzubieten.
Taylorismus ist nicht böse. Er muss nur erweitert werden
Gerade in der agilen „Szene“ wird der Taylorismus – meist mit dem Zusatz, das sei die alte Welt – verteufelt. Wiedermal die Denkfall der Dichotomie. Zwei Seiten. Gut und Böse. Die Moral steht uns leider meist beim Denken im Weg. Was wäre, wenn es keine „alte“ und „neue“, respektive „böse“ und „gute“ Welt gäbe? Für mich gibt es nur die eine. Und heute ist die Fortsetzung von gestern. Alles was gestern war, trägt zum heute bei. Deshalb braucht es keine Ablösung des Taylorismus, sondern eine Ergänzung. Und damit einhergehend braucht es auch nicht überall Teams (die den Begriff Team verdienen), sondern auch lose, zusammengewürfelte Gruppen, oder auch Einzelkämpfer. Mitarbeiter:innen im wahrsten Sinne des Wortes. Hier und da hat man was miteinander zu tun, aber von einer gegenseitigen Abhängigkeit, geschweige denn einer vertrauensvollen Bindung kann da nicht die Rede sein. Und die braucht es auch nicht (überall).
Der Taylorismus zeichnet sich meist durch funktionale Differenzierung der Arbeitseinheiten aus. Die Wette ist, dass durch das Zusammenfassen ähnlicher Aufgaben enorme Effizienzgewinne entstehen. Das Ergebnis sind Abteilungen. Sie eignen sich, um blaue Probleme mit hoher Effizienz zuverlässig und reproduzierbar zu lösen. Teams hingegen sind das Ergebnis funktionaler Integration. Sie teilen ein gemeinsames Problem. Sie lösen komplexe Aufgaben, während lose Gruppen (Abteilungen) sich den komplizierten Themen der Linie widmen.
5 Kriterien an denen du echte Teams erkennst
1. Die externe Referenz als Antreiber
Nur in den Teilen der Organisation, in denen die Wertschöpfung der Ausnahme die Regel ist, braucht es echte Teams. Und die brauchen echte Probleme – oder Herausforderungen wie man neudeutsch sagt, um überhaupt existieren zu können. Die externe Referenz – also ein für die Organisation nicht zu ignorierendes Problem des Marktes – ist die Existenzgrundlage eines Teams. Sie alleine schweißt zusammen. Sie alleine ist Motivation genug. Keine Lösung, kein Erfolg. Und das heißt übrigens auch, dass Konflikte normal sind. Konflikte sind der Treiber jeden Fortschritts. In echten Teams kann es wirklich zur Sache gehen, denn es geht ja auch um was. Es geht um echte, volle Verantwortung für das jeweilige Thema.
2. Funktionale Integration
Sie vereinen mehrere, zur Lösung des Problems notwendige, Kompetenzen. Das ist die funktionale Integration. Dadurch wird eine Co-Abhängigkeit erzeugt. Jeder trägt mit seinen Fähigkeiten einen notwendigen Teil zur Problemlösung bei. Fällt ein Mitglied aus, steht das gesamte Vorhaben auf der Kippe. Nicht selten muss bei einer Neubesetzung die gesamte Teamkonstellation neu gedacht werden. Wie im Fußball kann das Auswechseln eines Spielers dazu führen, dass gleich mehrere ausgetauscht, oder die Taktik angepasst werden muss, um die Gesamtleistung des Systems wieder herzustellen. Die Passung des Teams ist relevanter für die Gesamtleistung, als die Leistung der Einzelpersonen. Die Summe des Ganzen ist mehr als die Summe der Teile.
Idealerweise befinden sich die Kolleg:innen in unmittelbarer kommunikativer Reichweite zueinander. Entweder vor Ort oder digital durch eigene Kanäle. So werden kommunikative Ressourcen geschont und gleichzeitig sichergestellt, dass alle Mitglieder des Teams Zugang zu den selben Informationen haben. Das wiederum erleichtert die schnelle Entscheidungsfindung.
3. Teamstifter
Jedes Team wird von einem Teamstifter initiiert und durch einem Sponsor mit formaler Macht geschützt (zu Schutzräumen in einem späteren Artikel mehr). Der Teamstifter hält ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem Sponsor und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Team abseits der formalen Regeln tatsächlich agieren kann. Das ist von kritischer Bedeutung. Bröckelt das Vertrauen in den Teamstifter und den Sponsor das Team vor der Übergriffigkeit des formalen Wahnsinns der Organisation zu schützen, leidet die Wirksamkeit und damit der Beitrag zur Wertschöpfung enorm. Das Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt.
4. Die Teammitglieder sind freiwillig Teil des Teams.
Menschen entscheiden sich, anderen Menschen und ihren Ideen zu folgen. (Sozial legitimierte) Führung kann nicht hergestellt werden, sondern ist ein soziales Phänomen, dass durch das System anderen zugeschrieben wird. Deswegen würde ein Systemtheoretiker die meisten Führungskräfte auch eher „Steuerungskräfte“ nennen. Nur wenn Menschen eine Wahl haben und sich an Aussagen reiben können, ohne formale Konsequenzen befürchten zu müssen, kann ein echtes Team entstehen. Deshalb ist die Freiwilligkeit und damit einhergehend auch die Möglichkeit sich anders zu entscheiden für den Erfolg des Teams von kritischer Bedeutung.
5. Der Kern des Teams arbeitet Vollzeit im Team.
Die Idee man könne Arbeitszeit gleichmäßig auf mehrere Projekte aufteilen, um so effizienter voran zu kommen, kann sich in überraschungsreichen Umgebungen nicht halten, wohl aber in überraschungsarmen, komplizierten. Nur genau da, braucht es ja keine Teams, wie bisher erläutert. In der komplexen Wertschöpfung, in der es auf die problemlösungstauglichen Gefühle (Intuition) der Beteiligten ankommt, braucht es Zeit, Freiraum, die Möglichkeit Ideen auszuprobieren und auch scheitern zu dürfen. Ja das ist sogar die Regel – und zwar Vollzeit. Solange bis die externe Referenz befriedigt ist. Mit vollem Fokus, ohne zusätzlichen Kontextwechsel und mentalen Ballast aus der Linie. Wären nämlich weiterhin mehrere Teammitglieder zu x% mit Linientätigkeiten beschäftigt, steigt der Koordinationsaufwand enorm, weil ja nie alle Mitglieder gleichzeitig zur Verfügung stehen. Verschwendung!
Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, würde ich nicht von einem Team, sondern einer losen Gruppe sprechen. Sind alle Kriterien gegeben, heißt das noch lange nicht, dass ein Team entsteht. Es wird lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es passieren kann.
Teams können nicht kausal hergestellt werden
Teambuilding kann nicht halten, was es verspricht, denn schon der Begriff suggeriert, dass sich Teams kausal herstellen ließen. Aber Teams sind als soziales System (genau wie Organsationen) operativ geschlossen und informativ offen (worauf ich in anderen Artikeln oder im Podcast eingegangen bin). Das bedeutet, dass von außen zwar Einfluss genommen, aber kein gewünschter Zustand kausal hergestellt werden kann. Einfacher ausgedrückt: Du kannst Menschen nicht nach deinem Belieben ändern oder in sie hineindenken. Ganz abgesehen von der Übergriffigkeit die damit einhergeht. Aufgabe ist es stattdessen Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wahrscheinlichkeit für den gewünschten Erfolg erhöhen, ganz unabhängig von den Werten, Einstellungen und Haltungen der Menschen. Auch der Wunsch Vertrauen zwischen den Teammitgliedern herstellen zu wollen, ist die selbe gedankliche Sackgasse. Gemeinsam klettern und absichern, sich fallen lassen und gefangen werden, sich blind durch den Raum navigieren lassen ist nett, aber letztendlich auch nur Business Theater und befeuert nicht selten bei dem ein oder anderen Zynismus. Vertrauen kann nicht kausal hergestellt werden. Es ist das Ergebnis von mehrfach erfüllter Erwartung und zwar im passenden Kontext. Ob ich jemandem vertraue, dass er mich abseilen kann, ist etwas ganz anderes, als das Vertrauen in der Zusammenarbeit im Kontext der Arbeit. Jemand kann mich gut abseilen und trotzdem keinen guten Job auf der Arbeit machen. Das Gegenteil ist genauso wahr. Mehr echte Arbeit und weniger sinnlose Beschäftigung ist ein alternativer Ansatz für „Teambuilding“. Das gemeinsame und erfolgreiche Lösen von Problemen erzeugt auf lange Sicht Vertrauen. Kein Klettergarten.
Kommunikative Ereignisse lassen sich nicht übertragen
Systemtheoretisch betrachtet bilden sich je nach Umgebung neue soziale Systeme. Die System / Umwelt Differenz ist in der Kletterhalle eine andere, als beim Billard Spielen und noch mal eine andere in der Arbeit. Das erkennt man an den unterschiedlichen Gesprächen, die stattfinden. Um in der Gruppe klettern zu können, muss ich anders miteinander reden, als wenn die selbe Gruppe Billard spielt und noch mal anders, wenn es um Kundenprobleme geht.
Mehr zu dem Thema auch in meinem Podcast auf Spotify oder Apple Podcast und überall wo es sonst Podcasts gibt.
Foto von Pawel Czerwinski auf Unsplash
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