Gehaltsmodelle auf dem Prüfstand
Kaum ein Thema ist in Organisationen so emotional aufgeladen, wie das Thema Geld und Gehalt. Wie so oft geraten Diskussionen in emotionale Gewässer, wenn wesentliche Erkenntnisse fehlen. Die Emotion ist eine Kompensationsreaktion für fehlende Argumente. In diesem Artikel möchte ich neben einem grundsätzlichen Gedanken, zwei Kriterien anbieten, die sich in der Diskussion um das Thema Geld als hilfreich erweisen könnten.
Grundsätzlich treffen beim Thema Gehalt zwei gegensätzliche Interessen aufeinander. Zum einen das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers, d.h. nicht zu viel zu bezahlen. Auf der anderen Seite das Arbeitnehmerinteresse möglichst viel Geld zu bekommen. Schließlich würde niemand 10k€ / Jahr zusätzlich ablehnen, oder?
Vorab sollte daher schonmal klar sein, dass es keine ideale Lösung geben kann! Gehalt ist immer ein Kompromiss. Fair ist Gehalt auch nie, weil „Fairness“ die falsche Währung ist, um Gehalt zu bemessen.
Der Arbeitsvertrag
Doch beginnen wir vorne. Beim Arbeitsvertrag. Zugrunde liegt hier ein einfacher aber in Zeiten von Wohlfühl-New Work-Predigern meist übersehender Mechanismus: Vertraglich geregelter Leistungsaustausch. Ich betone: Leistung!
Arbeitnehmer bringt Leistung ein (in welcher Form auch immer) und wird dafür „entlohnt“. Solange dieser Leistungsausgleich auf beidseitiger Zufriedenheit beruht, besteht der Vertrag. Andernfalls kann er beidseitig aufgekündigt werden. Das ist der Deal.
(Am Rande: damit disqualifiziert sich jede Firma, die von sich behauptet eine Familie zu sein. Kann sie gar nicht! Arbeitsverträge sind beidseitig kündbar. Familie nicht. Das hat noch ganz andere Konsequenzen, doch das ist eine andere Diskussion.)
Was gibt es nun zu beachten? Was sind mögliche Gründe für nie endende Diskussionen und Unzufriedenheit?
Kommunikative Ressourcenabsorption
Zum einen gilt es die „Kommunikative Ressourcenabsorption“ zu beachten. Heißt: Wie viel wird intern über das Thema Geld gesprochen? Im nicht vorhandenen Idealzustand ist das Thema Geld einfach vom Tisch. (Wie in der Schweiz. Keiner redet über Geld, weil jeder genug hat)
Es ist darauf zu achten, dass das Thema Geld im Alltag nicht überhandnimmt. Und das passiert, wenn zu viel Tamtam um das Thema gemacht wird. Quartalsweise Gehaltsgespräche, 42 Gehaltsbänder mit Gremien die in tagelangen Workshops diskutieren, Zeremonien, Entwicklungsprogramme, individuelle Boni etc.
Je komplizierter ein Gehaltssystem ist, desto mehr kommunikative Ressourcen werden dadurch gebunden. Jedes System, jede Regel, jede Abmachung will überprüft und aktualisiert werden. Jemand muss sich darum kümmern. Und da es eh keine gerechte Regelung für alle geben wird (es werden sich immer Leute beschweren) sollte man gar nicht erst versuchen es allen Recht zu machen. Heißt: Je einfacher das System desto besser!
Verantwortungsdiffusion
Ein kompliziertes System erzeugt Verantwortungsdiffusion. Erst einmal im Gange, dient ein kompliziertes Gehaltssystem als Schutz vor möglichen unangenehmen Gesprächen. Entscheider können sich verstecken. Die Verantwortung wandert von der Person an ein System. Dem Arbeitnehmer wird dadurch der klare Adressat bei Problemen und Unzufriedenheit genommen. Sein Gehalt hängt nun an einem ganzen System, das alle betrifft, anstatt an seiner Führungskraft. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass wegen einer Person Änderungen vorgenommen werden. Anders gesagt: Wer Unzufriedenheit vermeiden möchte, sollte eher auf klare Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite setzen, die auch tatsächlich etwas ändern können. Das gute alte 4 Augen-Gespräch ist unkompliziert, ehrlich. direkt, nahbar und wirksam.
Das häufigste Gegenargument lautet, dass dann die Leute benachteiligt werden, die nicht für sich einstehen können oder nicht verhandeln können.
Ja das stimmt! Und da sind wir wieder beim eingangs erwähnten Punkt. Es geht nicht um Fairness, sondern um Leistung. Wirtschaft funktioniert auf Basis von Wertschöpfung, die Zahlung generiert. Seinen Wert kenntlich zu machen und einzufordern ist eine Fähigkeit, die man im Wirtschaftssystem zwingend benötigt.
Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber auch ein Interesse daran, leistungsstarke Mitarbeiter zu halten. Ist ein Arbeitnehmer, aus welchen Gründen auch immer, unterbezahlt, sollte ein marktüblicher Ausgleich stattfinden. Die Alternative – nämlich die Kündigung des Arbeitnehmers – kann unter Umständen deutlich teurer sein. Das allerdings setzt voraus, dass Führungskräfte gut in der Organisation vernetzt sind und potenzielle Marktentwicklungen ihrer Talente beobachten und darauf proaktiv reagieren.
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Foto von Jason Leung auf Unsplash