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Gehaltssysteme

Gehaltsmodelle auf dem Prüfstand

Kaum ein Thema ist in Organisationen so emotional aufgeladen, wie das Thema Geld und Gehalt. Wie so oft geraten Diskussionen in emotionale Gewässer, wenn wesentliche Erkenntnisse fehlen. Die Emotion ist eine Kompensationsreaktion für fehlende Argumente. In diesem Artikel möchte ich neben einem grundsätzlichen Gedanken, zwei Kriterien anbieten, die sich in der Diskussion um das Thema Geld als hilfreich erweisen könnten.

Grundsätzlich treffen beim Thema Gehalt zwei gegensätzliche Interessen aufeinander. Zum einen das wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers, d.h. nicht zu viel zu bezahlen. Auf der anderen Seite das Arbeitnehmerinteresse möglichst viel Geld zu bekommen. Schließlich würde niemand 10k€ / Jahr zusätzlich ablehnen, oder?

Vorab sollte daher schonmal klar sein, dass es keine ideale Lösung geben kann! Gehalt ist immer ein Kompromiss. Fair ist Gehalt auch nie, weil „Fairness“ die falsche Währung ist, um Gehalt zu bemessen.

Der Arbeitsvertrag

Doch beginnen wir vorne. Beim Arbeitsvertrag. Zugrunde liegt hier ein einfacher aber in Zeiten von Wohlfühl-New Work-Predigern meist übersehender Mechanismus: Vertraglich geregelter Leistungsaustausch. Ich betone: Leistung!

Arbeitnehmer bringt Leistung ein (in welcher Form auch immer) und wird dafür „entlohnt“. Solange dieser Leistungsausgleich auf beidseitiger Zufriedenheit beruht, besteht der Vertrag. Andernfalls kann er beidseitig aufgekündigt werden. Das ist der Deal.

(Am Rande: damit disqualifiziert sich jede Firma, die von sich behauptet eine Familie zu sein. Kann sie gar nicht! Arbeitsverträge sind beidseitig kündbar. Familie nicht. Das hat noch ganz andere Konsequenzen, doch das ist eine andere Diskussion.)

Was gibt es nun zu beachten? Was sind mögliche Gründe für nie endende Diskussionen und Unzufriedenheit?

Kommunikative Ressourcenabsorption

Zum einen gilt es die „Kommunikative Ressourcenabsorption“ zu beachten. Heißt: Wie viel wird intern über das Thema Geld gesprochen? Im nicht vorhandenen Idealzustand ist das Thema Geld einfach vom Tisch. (Wie in der Schweiz. Keiner redet über Geld, weil jeder genug hat)

Es ist darauf zu achten, dass das Thema Geld im Alltag nicht überhandnimmt. Und das passiert, wenn zu viel Tamtam um das Thema gemacht wird. Quartalsweise Gehaltsgespräche, 42 Gehaltsbänder mit Gremien die in tagelangen Workshops diskutieren, Zeremonien, Entwicklungsprogramme, individuelle Boni etc.

Je komplizierter ein Gehaltssystem ist, desto mehr kommunikative Ressourcen werden dadurch gebunden. Jedes System, jede Regel, jede Abmachung will überprüft und aktualisiert werden. Jemand muss sich darum kümmern. Und da es eh keine gerechte Regelung für alle geben wird (es werden sich immer Leute beschweren) sollte man gar nicht erst versuchen es allen Recht zu machen. Heißt: Je einfacher das System desto besser!

Verantwortungsdiffusion

Ein kompliziertes System erzeugt Verantwortungsdiffusion. Erst einmal im Gange, dient ein kompliziertes Gehaltssystem als Schutz vor möglichen unangenehmen Gesprächen. Entscheider können sich verstecken. Die Verantwortung wandert von der Person an ein System. Dem Arbeitnehmer wird dadurch der klare Adressat bei Problemen und Unzufriedenheit genommen. Sein Gehalt hängt nun an einem ganzen System, das alle betrifft, anstatt an seiner Führungskraft. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer, dass wegen einer Person Änderungen vorgenommen werden. Anders gesagt: Wer Unzufriedenheit vermeiden möchte, sollte eher auf klare Ansprechpartner auf Arbeitgeberseite setzen, die auch tatsächlich etwas ändern können. Das gute alte 4 Augen-Gespräch ist unkompliziert, ehrlich. direkt, nahbar und wirksam.

Das häufigste Gegenargument lautet, dass dann die Leute benachteiligt werden, die nicht für sich einstehen können oder nicht verhandeln können.

Ja das stimmt! Und da sind wir wieder beim eingangs erwähnten Punkt. Es geht nicht um Fairness, sondern um Leistung. Wirtschaft funktioniert auf Basis von Wertschöpfung, die Zahlung generiert. Seinen Wert kenntlich zu machen und einzufordern ist eine Fähigkeit, die man im Wirtschaftssystem zwingend benötigt.

Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber auch ein Interesse daran, leistungsstarke Mitarbeiter zu halten. Ist ein Arbeitnehmer, aus welchen Gründen auch immer, unterbezahlt, sollte ein marktüblicher Ausgleich stattfinden. Die Alternative – nämlich die Kündigung des Arbeitnehmers – kann unter Umständen deutlich teurer sein. Das allerdings setzt voraus, dass Führungskräfte gut in der Organisation vernetzt sind und potenzielle Marktentwicklungen ihrer Talente beobachten und darauf proaktiv reagieren.

 

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Mindset

Mindset ist wichtig. Eine Antidote zu Change (3/4)

Dritter Teil der Serie „Eine Antidote zu Change Management“. Dieses Mal im Fokus: Das Mindset

These: Mindset ist wichtig

Die meisten Change Initiativen scheitern. Doch warum ist das so?

Wenn alles nicht hilft, dann ist das Mindset der allseits anerkannte Grund. Kein Wunder, denn spätestens wenn man sich in dieser gedanklichen Schleife befindet, weiß niemand mehr worum es eigentlich geht. Mindset als Generalausrede und Beweis der Verantwortungslosigkeit – sowohl der Berater:innen, als auch des Führungsteams. Schließlich sind ja die anderen Schuld.

Der Vorwurf (und nichts anderes ist das fehlende Mindset) adressiert nicht mehr die Handlung, sondern die Identität. Die Frage ist nicht mehr „was habe ich getan?“, sondern „bin ich noch richtig?“. Das ist übergriffig und hat am Arbeitsplatz nichts verloren.

Abgesehen davon ist das Konzept des Mindsets schon längst überholt. Die Überzeugung, dass Vernunft (also der Kopf und seine „mentalen Modelle“) die Maxime unserer Handlung sei ist widerlegt. Entscheidungsfindung ist eine verteilte Funktion des Körpers. Nicht das Gehirn, sondern die Hand reagiert auf die heiße Herdplatte. Der Kopf evaluiert in diesem Fall nur noch. Leitendes Prinzip: verteilte Entscheidungsfindung, zentrale Koordination.

Bekannt ist mittlerweile, dass wir nu ca. 3-5% der zur Verfügung stehenden Daten über unsere Sinnesorgane scannen. Das ist der maximale Anteil, den wir berücksichtigen, und er löst eine Reihe von Erinnerungen aus: kognitive, physische und soziale, meist in Form von Geschichten, die wir von anderen Menschen gehört haben. Wir vermischen diese miteinander und das erste passende Muster, das wir finden, wenden wir an und handeln entsprechend (first pattern match). Dementsprechend sind Muster, die in der nahen Vergangenheit entstanden sind, dominant.

Die gute Nachricht ist, dass es in diesem Bereich noch viel zu entdecken gibt. Die schlechte ist, dass wir nicht sehen, was wir nicht sehen wollen. Oder anders ausgedrückt: Wir sehen nicht, was wir nicht erwarten zu sehen. Daher ist das Führungssystem tatsächlich wichtig. Du kannst die begabtesten Führungskräfte, die motiviertesten Menschen und die besten Mindsets haben, aber die Realität ist, wenn du keine passenden Rahmenbedingungen geschaffen hast, wirst du als Organisation nicht überleben. Und in komplexen Umgebungen ist es viel wichtiger, wie Menschen miteinander in Verbindung treten, als das, was sie sind.

Fun Fact: In China und Japan kann der maximale Anteil der gescannten Daten doppelt so groß sein. Die Vermutung ist, dass es an der Sprache liegt. Sino-tibetische Sprachen sind im Gegensatz zu romanischen Sprachen verbindend und nicht kategorisierend. Tonalität, Satzstellung und Logographie sind entscheidend für die Bedeutung eines Wortes und eines Satzes. Doch dazu in einem anderen Post mehr.

 

Jedenfalls würde sich die Diskussion um Mindset nicht so hartnäckig halten, wenn es nicht auch eine Funktion erfüllen würde. Die Kommunikation um „Mindset“ versucht eine Lücke zu schließen. Nämlich die, dass zunehmend unternehmensweite „Transformationen“ angestoßen werden, diese dann scheitern und es dafür einen Grund braucht. Ich schlage ein Alternative vor: Unpräzise Problembeschreibung.

Keine Intervention ohne Problemverständnis könnte auch ein leitendes Prinzip lauten. Denn jeder weiß: Es braucht eine Alternative, um ein bekanntes Muster durch ein Neues ersetzen zu können.

Das wiederum beschreibt einen Zustand in der Gegenwart und nicht in einer idealisierten Zukunft. Veränderung entsteht nur aus dem Leidensdruck der Gegenwart. Dieser muss wahrgenommen werden können, sonst reicht die hypothetisch bessere Zukunft nicht aus, um die negativen Gefühle auszuhalten, die zweifelsfrei mit der Veränderung einhergehen. Diese Unsicherheit kann durch Sinn zumindest teilweise kompensiert werden. Aber woher kommt dieser Sinn? Müssen Organisationen Sinn versprechen? Ich sage nein! Müssen sie nicht und können sie vor allen Dingen nicht, weil Sinn hoch subjektiv ist. Die Verantwortung den Sinn im Unsinn zu finden ist jedem selbst überlassen. Das mag von Weiterentwicklung, Anerkennung, Lob, Stress, Status bis hin zum Klimawandel reichen. Jeder darf seinen Sinn bestimmen. Um das aber tun zu können, muss der Beitrag zum relevanten Problem erkennbar sein. Hier schließt sich der Kreis. Der Grund muss klar sein! Und wie man nun erahnen kann, hat auch das nichts mit Mindset zu tun.

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Partizipationsfalle

Die Partizipationsfalle: Eine Antidote zu Change management (2/4)

Zweiter Teil der Serie „Eine Antidote zu Change Management“. Dieses Mal im Fokus: Die Partizipationsfalle

These: Es müssen alle mit einbezogen werden

Viele Organisationen sind in den letzten Jahren bildlich gesprochen auf der anderen Seiten vom Pferd gefallen. Sie haben die Diktatur der Einzelnen gegen eine Diktatur der Masse eingetauscht. Die Partizipationsfalle. Alle quatschen mit, jeder hat zu allem eine Meinung und will gehört werden. Das Ergebnis sind unzählige Abstimmungsmeetings und Entscheidungslethargie.

Beratung braucht hierfür eine Erklärung, jenseits von Mindset und Heldengeschichten. Es fehlt an einer Unterscheidung. Denn nur wer unterscheiden kann, kann Zusammenhänge erkennen. Ich vermute – und das wurde bisher sehr oft in der Praxis bestätigt, dass die Unterscheidung zwischen komplizierter und komplexer Wertschöpfung zwar bekannt ist, aber es an Ideen fehlt, diese für die Organisation konstruktiv nutzbar zu machen. Die Konsequenzen sind weitreichend. Ein Symptom von Vielen, ist die oben bereits erwähnte Partizipationsfalle.

Kompliziertheit beschreibt ein Verhältnis zwischen jemandem und etwas. Eine Stadtkarte der Londoner Innenstadt ist für mich kompliziert. Für einen hiesigen Taxifahrer nicht. Kompliziertheit kann durch Wissen reduziert, sogar gänzlich eliminiert werden.

Komplexität hingehen ist eine Eigenschaft eines Systems. Ein System ist dann komplex, wenn sich aus dem was in der Vergangenheit passiert ist, nicht folgern lässt was in Zukunft passieren wird. Alternativ lässt sich auch sagen, dass sich aufgrund der selben Ausgangslage widersprüchliche Hypothesen über die Zukunft bilden lassen. Unser Bewusstsein ist ein solches System. Ich weiß nicht, welchen Gedanken ich als nächstes denken werde. Jede Operation ist eine Überraschung – auch für mich selbst.

Das besondere an Organisationen ist nun, dass sie auf Basis einer Symbiose aus komplizierter und komplexer Wertschöpfung operiert. Es braucht immer beides und zwar im für die Wertschöpfung angemessen Verhältnis. Die Phänomene an den Rändern des Spektrums sind einfach. Repetitive Tätigkeiten, für die bereits Wissen in der Organisation vorhanden sind, sollten nicht ständig diskutiert werden. Hierfür gibt es Prozesse und diese müssen eingehalten werden! Die Führungskraft oder präziser die Steuerungskraft ist der Wächter des Prozesses. Hier ist die Frage nach dem „wie“ zielführend. Für sehr überraschungsreiche Tätigkeiten, bei denen kein Wissen vorhanden sein kann (sonst wären es keine Überraschungen), ist Steuerung (also das zur Verfügung stellen von Wissen) der unpassende Ansatz. Stattdessen braucht es Menschen, denen die Organisation ausreichend Kompetenz zuschreibt, um das Problem zu lösen. Die Frage nach dem „wer“ ist also cleverer, als die Frage nach dem „wie“. Das leitende Prinzip könnte also lauten „Wer vor Wie“. Die Führungskraft nutzt ihre formale Macht, um den Könner gekonnt in Szene zu setzen und vor der Übergriffigkeit der formalen Seite der Organisation zu schützen.

Zurück zur Partizipationsfalle. Sie ist, wie bereits angedeutet, das Ergebnis einer fehlenden Differenzierung zwischen kompliziert und komplex. Viel Organisationen kennen nur das eine oder andere Extrem. Sie kennen entweder nur die Steuerung als Managementinstrument, oder verfallen den moralisch aufgeladenen Heilsversprechen der modern Beratungsmoden wie Agilität oder New Work, die Führungskräfte und Hierarchie verteufeln und stattdessen das Individuum in den Fokus rücken wollen. Beide Extreme funktionieren nicht, weil sie meistens der heute benötigen Vielfalt der Wertschöpfung nicht gerecht werden können. Unter Stress, der durch die zunehmende rot / blau Melange entsteht, bedienen sich beide Seite dessen was sie kennen. Was sollen sie auch sonst tun? Die eine Seite optimiert die Steuerung und verbrennt sich im Hochleistungstaylorismus. Die andere Seite wird zur Moralapostel und verkommt im Spiel um Geld in tagelangen Mindfullnessworkshops.

„Wer sieht, dass er nicht sieht was er bislang nicht sieht fängt an sich zu verändern“ – so Klaus Eidenschink. Ein hochdifferenziertes Bild der Möglichkeiten anbieten zu können, ist Grundvoraussetzung, um wirksam irritieren zu können. Dafür ist Theorie notwendig.

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Organisationen bestehen aus Menschen

Eine Antidote zu Change Management (1/4)

Change Management ist wie Regentanz. Wenn es klappt, ist man selbst überrascht, doch man genießt den Ruhm. Wenn es nicht klappt, müssen andere weiter daran glauben.

In dieser 4-teiligen Serie möchte ich mit vier Thesen des herkömmlichen Change-Managements aufräumen und einen andere Perspektive anbieten.

These 1: Organisationen bestehen aus Menschen

Eine weit verbreitete Annahme ist es, dass Organisationen aus Menschen bestünden. Und sie ist auch nachvollziehbar. Sie entspricht schließlich unserem täglichem Erleben. Wenn du morgens zur Arbeit erscheinst, begegnest du Menschen. Diese Annahme ist so weit verbreitet und offensichtlich, dass sie nicht mehr in Frage gestellt wird. Was ist, wenn es eine Alternative gäbe? Es ist vergleichbar mit der Unterscheidung zwischen einem klassischen Gravitationsverständnis nach Newton und der generellen Relativitätstheorie nach Einstein. Beide haben die Gravitation beschrieben. Der eine elementar auf Objektebene, der andere strukturell anhand der Raumkrümmung. Ein fundamental anderer Ansatz mit weitreichenden Konsequenzen. Fehlen diese Unterscheidungsmöglichkeiten landet man immer immer wieder in den selben Sackgassen.

Eine davon – und sie ist besonders stark in Organisationen ausgeprägt – ist die Personifizierungsfalle. Wenn man davon ausgeht, dass Organisationen aus Menschen bestehen ist es nachvollziehbar, dass es Helden und Schuldige geben muss. Das zugegeben einfache Erklärungsmodell lässt aber nur einen Schluss zu: Personen müssen ausgewechselt werden. Gerade in Bezug auf Führungskräfte ist dieser Reflex häufig zu beobachten.

Wie lässt sich aber erklären, dass obwohl mehrere Male die selbe Position neu besetzt wurde, sich keine wirkliche Verbesserung eingestellt hat? Wie lässt sich erklären, dass eine Organisation fortbestehen kann, obwohl nach und nach die komplette Belegschaft ausgewechselt wurde?

Das Narrativ des Helden stößt beim Erklärungsversuch dieser Phänomene an seine Grenzen. Genauso wie man mit Newton keine schwarzen Löcher erklären kann. Was ist also die Alternative? Organisationen bestehen aus Kommunikationen! Das ist ähnlich eingängig, wie zu behaupten, dass Masse den Raum krümmt. Wenn man es aber akzeptiert und sich einmal mit dem Gedanken anfreundet, eröffnet sich eine ganz neue Welt. Schwarze Löcher und Gravitationslinsen lassen sich plötzlich erklären. So auch der ständige Wechsel zwischen Outsourcing und selber machen, der nahtlose Übergang einer Managementmode zur nächsten, der ständige Schrei der Belegschaft nach Orientierung und Strategie oder der Wunsch nach Vision und Purpose. Mit einer neuen Brille wird Vieles plötzlich klarer – auch wenn sie anfänglich für Kopfschmerzen sorgt. Der Vorteil: Die neue Sicht entlastet ungemein.

Denn wenn Organisationen aus Kommunikationen bestehen und nicht aus Menschen, muss ziemlich viel der herkömmlichen Change Klaviatur nicht in dem Maße bespielt werden, wie oft praktiziert. Werte, Haltungen, Purpose, Kulturarbeit, Leadership-Programme etc. können alle einmal mit der neuen Brille in Hinblick auf ihre Wirksamkeit auf den Prüfstand gestellt werden.

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Warum Unternehmen keine einheitliche Kultur brauchen

Warum Unternehmen keine einheitliche Kultur brauchen

Kultur ist nicht entscheidbar

Jede Organisation bekommt die Kultur, die sie verdient, denn sie ist das Gedächtnis einer Organisation. Präziser: die Kultur spiegelt die Vergangenheit der Organisation wider. Sie ist also rückwärtsgewandt und wie man neudeutsch so schön sagt ein „lagging Indicator“. Kultur kann nicht bewusst und zielgerichtet hergestellt werden. Aber warum eigentlich nicht?

Neben dem in den letzten Jahrzehenten vorherrschenden Bild der Organisation als Maschine bietet Niklas Luhmann einen anderen Zugang an. Er beschreibt soziale Systeme (darunter Organisationen) über Kommunikationen. Soziale Systeme sind operativ geschlossen und informativ offen und bilden dabei eine Grenze aus (wie die Haut eines Menschen), um sich von ihrer Umwelt abzugrenzen. Die operative Geschlossenheit führt dazu, dass jegliche Art der Mitteilung zwar an diese (kommunikative) Grenze herangetragen werden kann, aber wie diese innerhalb des Systems verarbeitet wird, ist nicht kausal vorhersehbar und wird durch das System selbst bestimmt. Per Analogie einfacher ausgedrückt: Du kann auch nicht in andere Menschen hineindenken.

Das heißt übrigens nicht, dass du solche Systeme nicht konstruktiv beeinflussen kannst. Aber eben nur beeinflussen, nicht kausal ändern. Hierfür bietet auch die Komplexitätswissenschaft jede Menge Gedankengut an. Doch dazu in einem anderen Beitrag mehr.

Akzeptierst du, dass sich Organisationen als soziale Systeme über Kommunikationsmuster beschreiben lässt und dass diese Systeme operativ geschlossen und informativ offen sind, dann kannst du folgern, dass sich Kultur, als kommunikatives Phänomen in einer Organisation, zwar beobachten und beeinflussen, aber nicht herstellen lässt.

Ein weiteres Beispiel:

Wenn du abends in die Oper gehst, würde dir nicht in den Sinn kommen mit Jogginghose und FC Bayern Pulli dorthin zu gehen. Umgekehrt, wenn du mit deinem besten Freund:in ins Stadion gehst, wirst du vermutlich nicht im Dreiteiler auflaufen. Im Stadion herrscht nun mal ein anderer kultureller Zwang als in der Oper und das, obwohl das niemand definiert hat. Es wurde nie festgelegt, dass es so zu sein hat. Es hat sich einfach so entwickelt. Kultur ist das, was sich hinter dem Rücken der Akteure bildet. Unsichtbare Zwänge, oder einfacher gesagt: Das, was selbstverständlich ist.

Niklas Luhmann bezeichnet Kultur etwas sperrig als „unentscheidbare Entscheidungsprämisse“. Prämisse bedeutet, dass die Kultur zwar Entscheidungen beeinflusst, aber nicht bewusst mitgedacht wird. Sie wird als Voraussetzung schweigend hingenommen, weil sie selbstverständlich ist, aber deren Wahrheitsgehalt wird nicht überprüft. Sie ist wie der Schatten eines Objektes. Du kannst den Schatten selbst nicht verändern. Du musst das Objekt ändern, um den Schatten zu beeinflussen. Eine mehr physikalische Analogie ist die Referenz auf Dunkle Materie. Wir spüren die Auswirkungen, können den Grund dafür aber (noch) nicht erklären.

Wirtschaft funktioniert nach Zahlung / nicht Zahlung

Um zu verstehen, dass ein Unternehmen keine einheitliche Kultur benötigt, bedarf es einer weiteren Erkenntnis. Nämlich der, dass Wirtschaft einzig und allein auf Basis der Leitunterscheidung Zahlung / Nicht Zahlung operiert. D.h. dass der konkurrenzfähige Gewinn das alleinige, hinreichende Kriterium für die Existenz eines Unternehmens ist. Alles andere wie Agilität, New Work, Talentprogramme und Obstkörbe ist notwendig, aber eben nicht hinreichend. Das muss sich ein Unternehmen leisten können.

Kultur löst kein Problem der Wertschöpfung

Mit dem Code Zahlung / nicht Zahlung rückt die Lösung von Problemen der tatsächlichen Wertschöpfung in den Fokus. Denn dort wird Geld verdient. Oder umgekehrt: Kultur löst kein Problem der Wertschöpfung, sondern ist wie bereits erwähnt, das was sich einstellt, wenn Menschen echte Probleme lösen (oder eben nicht). Man könnte auch Fragen: Welches echte Kundenproblem möchte man mit einer Vereinheitlichung der Kultur lösen? Deine Kultur ist dem Kunden nämlich egal. Der will seine Dienstleistung, möglichst schnell, in möglichst hoher Qualität für möglichst wenig Geld. Diese Art von Problemen für andere zu lösen, macht Spaß. Zu sehen, welchen Unterschied die eigene Arbeit für jemand anderen macht, das motiviert. Kulturentwicklungsprogramme ist Selbstbeschäftigung. In der Zeit könnte man stattdessen echte Probleme lösen.

Diversifizierung im Kleinen sorgt für Stabilität im Großen

Einen weiteren spannenden Gedanken, der uns zu dem Schluss bringen wird, dass eine einheitliche Kultur nicht hilfreich ist, gewinnen wir durch einen Blick auf die Natur. Ist dir schonmal aufgefallen, dass es in der Natur keine Homogenisierung gibt? Kein Baum sieht aus wie der andere, keine Blume ist identisch mit der anderen, kein Mensch ist wie der andere und doch erfüllt jedes Mitglied einer Spezies eine sehr ähnliche Aufgabe innerhalb des Ökosystems. Dadurch dass jeder einzelne Akteur im direkten Wettbewerb mit seiner Umwelt (auch andere Mitglieder des Ökosystems) steht, wird er zur Anpassung gezwungen. Der Einzelne kann leicht an den Zwängen zugrunde gehen, doch dadurch gewinnt das Gesamtsystem an Widerstandsfähigkeit. Die Diversifizierung im Kleinen sorgt für Stabilität im Großen. Fehlende Variation bringt keine neuen Ideen hervor, die sich in Krisenzeiten als überlebenswichtig herausstellen könnten. Der Aufbau von Redundanz, in den Teilen der Wertschöpfung, bei der die Ausnahme die Regel ist, ist eine Investition in die Zukunft. Variationen, die sich als schädlich zur Lösung von Problemen der Wertschöpfung erweisen, werden abgestoßen. Alles, was nicht schädlich ist, bleibt und sorgt für die Vielfalt, die wir in der Natur so schätzen.

Ob die Natur nun als gutes Vorbild herhalten kann oder nicht bleibt jedem selbst überlassen. Fakt ist aber, dass die Natur das wohl resilienteste System ist, das ich kenne. Und ich lehne mich nicht zu sehr aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass es auch die Menschheit überdauern wird. Wer also was über Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Umweltbedingungen lernen möchte (und genau das müssen Unternehmen mehr und mehr tun, um sich in der Wirtschaft zu behaupten), kann in der Natur viel lernen. Homogenisierung, ob in der Kultur, in der Führung oder im Mindset, ist nicht die Antwort. Ganz im Gegenteil, sie schadet. Und der Schrei nach einer einheitlichen Kultur wird auch wieder verschwinden. Wie alle Moden vorher auch.

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Alternative zu Sender Empfänger Modell

Kommunikation: Eine Alternative zum Sender-Empfänger Modell

Das im Alltag gängigste Konzept von Kommunikation ist wohl das Sender-Empfänger Modell. Dabei liegt der Fokus auf Seiten des Senders, der mit seiner Nachricht versucht Informationen an sein Gegenüber zu übermitteln. Luhmann unterscheidet auch zwischen zwei Instanzen, oder wie er es charmant formuliert: „informationsverarbeitende Prozessoren“. Er nennt sie „Alter“ und „Ego“ im Gegensatz zu „Sender“ und „Empfänger“. „Alter“, der „Sender“, der etwas mitteilen möchte und „Ego“, also „Ich“, der Adressat. Bei Luhmann können beide Prozessoren, nicht nur psychische Systeme, also einzelne Personen, sondern auch soziale Systeme sein. Das ist bereits ein erster Unterschied zum gängigen Kommunikationsverständnis.

Kommunikation ist Selektion 

Die Vorstellung der gängigen Kommunikationstheorien, es handle sich um eine Art Signalübertragung, bei der der Sender die Zustände des Empfängers geradlinig kausal festlegt, lehnt Luhmann vehement ab. Denn in dieser von mir stark vereinfachten Beschreibung des Sender-Empfänger Modells liegen zwei Annahmen verborgen. Zum einen, dass „Information“ als solches in der Welt existiere und zum anderen sich auch noch von einem Träger zum nächsten übertragen ließe. Als Konstruktivist geht Luhmann davon aus, dass Information erst durch einen Beobachter konstituiert wird. „Informationen kommen nicht in der Umwelt, sondern nur im System selbst vor. Sie können also nicht als identische Einheiten aus der Umwelt in das System transportiert werden. […] Es hat also keinen Sinn zu sagen, dass in der Umwelt massenhaft Informationen vorliegen.“ (Einführung in die Systemtheorie. Niclas Luhmann, S.129, 2002)

Ein weiterer Unterschied ist daher, dass „Information“ auch ein wesentlicher Bestandteil der Kommunikation ist. Deshalb definiert er Kommunikation als „eine Synthese aus drei Selektionen [..] Information, Mitteilung und Verstehen.“ (Niclas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft 1997). Dabei ist die Selektion der Information und der Mitteilung „Alter“ zuzuordnen und die Selektion des Verstehens bei „Ego“. Dahinter versteckt sich eine Auffassung, die zu grundlegend anderen Erkenntnissen führt als über die üblichen kommunikationswissenschaftlichen Ansätze. Entlang dieser drei Selektionsprozesse werden wir im Folgenden den Kommunikationsbegriff schärfen. Vorab noch ein paar Anmerkungen von Luhmann.

„Kommunikation ist Prozessieren von Selektion. […] Jede Selektionsentscheidung ist kontingent, das beutetet immer auch anders möglich.“ (Luhmann 1984, Soziale Systeme. Grundriss einer allgemeinen Theorie). „Kommunikation ist allgemein dazu da, eine Information mitzuteilen, die auch anders ausfallen könnte.“ (Luhmann Short Cuts 2001)“Kommunikation besteht aus Information, Mitteilung und Verstehen. Jede dieser Komponenten ist in sich selbst ein kontingentes Vorkommnis.“ (Luhmann 1997, Die Gesellschaft der Gesellschaft)

Eine Entscheidung für etwas ist gleichzeitig auch immer eine Entscheidung gegen etwas anderes. Welche Information gewählt wurde (und damit viele andere Informationen nicht), welche Mitteilung (und damit viele andere Mitteilungsmöglichkeiten nicht) und auf welche Art und Weise verstanden wird (oder auch nicht) ist das Ergebnis einer Wahl aus unendlich vielen Möglichkeiten. Es hätte auch immer anders sein können. Der Möglichkeitsraum ist überabzählbar unendlich, wird jedoch durch „Sinn“ eingeschränkt. Nicht alles ist in jedem Kontext sinnvoll kommunizierbar. Erst in der Kommunikation selbst wird der Sinn erschlossen.

Selektion der Information

Information ist „ein Unterschied, der einen Unterschied macht“, um es mit den Worten von Gregory Bateson auszudrücken. Ob etwas als Information wahrgenommen wird, ist einzig und allein eine Entscheidung des verarbeitenden Systems selbst. „Information ist ein systeminternes Produkt.“ (Luhmann, 1995 Die Kunst der Gesellschaft). Machen wir es konkret.

Du möchtest mit deinem Partner oder deiner Partnerin frühstücken. Dafür möchtet ihr frische Brötchen kaufen. Du hast vergangene Woche beobachtet, dass zwei Parallelstraßen von euch entfernt ein neuer Bäcker eröffnet hat. Durch die Differenz Bäcker vorhanden / nicht vorhanden hast du die Welt beobachtet und die Erkenntnis konstruiert, dass es an jenem Ort einen neuen Bäcker gibt. Nur das initiale Erkennen des Bäckers war ein Reiz, der systemintern (in dir) einen neuen Unterschied erzeugt hat. Mit der Unterscheidung „Bäcker vorhanden / nicht vorhanden“ hast du die Welt beobachtet und daraus einen neuen Unterschied „Bäcker an jenem Ort / nicht an jenem Ort“ erzeugt. Das ist Information und dadurch ein einmaliges Ereignis. Ein erneuter Reiz, wie z.B. euer Nachbar, der dich auf den Bäcker aufmerksam macht, erzeugt keine neue Erkenntnis, denn sie ist ja schon von deinem System verarbeitet worden und somit in dir vorhanden. Das sind Daten.

Die Differenz „Bäcker an jenem Ort vorhanden / nicht vorhanden“ wählst du aus einer unendlichen Anzahl von anderen möglichen Differenzen aus und entscheidest nun über die Art und Weise der Mitteilung.

Selektion der Mitteilung 

Die Mitteilung ist der wohl unstrittigste Teil der Kommunikation. Da Information immer nicht trivial, d.h. nicht offensichtlich ist und sich daher auch nicht von selbst erklärt, muss es zwangsläufig auch zu einer nicht trivialen Mitteilungsselektion kommen. Darüber hinaus ist nicht nur die Form, sondern auch das Medium zu wählen. Findet die Mitteilung schriftlich, mündlich, bildlich, textlich, verbal, nonverbal, gedruckt, elektronisch usw. statt. Auch überhaupt nichts mitzuteilen, steht zur Wahl. „Eine Mitteilung ist also immer eine Selektion: eine Entscheidung für eine bestimmte Information, gegen andere mögliche; für bestimmte inhaltliche Sinnvorschläge und formale Darstellungsweisen, gegen andere mögliche.“ (Margot Berghaus, Luhmann leicht gemacht 4. Auflage S.81) Entscheidend im Kommunikationsverständnis von Luhmann ist, dass es bei Alter eine Differenz gibt zwischen der ersten Selektion „Information“ und der zweiten „Mitteilung“.

Selektion des Verstehens

Die dritte und letzte Selektion ist dem Empfänger, also „Ego“ zuzuschreiben. Sie ist die entscheidende Selektion, denn erst mit ihr kommt nach Luhmann Kommunikation zustande. Luhmann denkt die Kommunikation vom Empfänger her und nicht wie üblich vom Sender. „Kommunikation kommt tatsächlich erst mit ihrem Abschluss im Verstehen zustande.“ (Niclas Luhmann, die Gesellschaft der Gesellschaft 1997, S.259). Verstehen beinhaltet auch das nicht Verstehen. Es geht nicht um inhaltliche Verständigung oder Konsens, sondern die Mitteilung des Senders, als solche zu identifizieren und sie zu interpretieren. Und das ist das geniale an Luhmanns Kommunikationsbegriff. Denn damit führt die reine Auffassung der Mitteilung dazu, dass der Empfänger weiß, dass der Sender über mehr Informationen verfügt, als er mitteilt und dass er sich für eine Mitteilung und gegen andere entschieden hat. D.h. das „Verstehen“ der Mitteilung bedeutet die Unterstellung der Differenz zwischen Information und Mitteilung beim Sender. Egos Selektion beinhaltet demnach Selektion eins und zwei. „Kommunikation kommt aber nur dadurch zustande, dass zwischen Mitteilung und Information unterschieden und der Unterschied verstanden wird.“ (Die Gesellschaft der Gesellschaft 1997, S.97) Das erzeugt zwangsläufig einen Verdacht beim Empfänger und macht Anschlusskommunikation wahrscheinlicher. Warum hat er sich für diese Mitteilung entschieden? Was hat er nicht gewählt? Warum gerade jetzt? Was hat er möglicherweise bewusst verschwiegen? „Entscheidend ist, dass die dritte Selektion sich auf eine Unterscheidung stützen kann, nämlich auf die Unterscheidung der Information von ihrer Mitteilung. Da dies entscheidend ist und Kommunikation nur von hier aus verstanden werden kann, nennen wir den Adressaten Ego und den Mitteilenden Alter.“ (Niklas Luhmann – Soziale Systeme, 1984, S.195)

Nochmal zusammengefasst. Luhmanns Kommunikationsbegriff grenzt sich deutlich von dem alltagssprachlichen Kommunikationsverständnis ab – mit weitreichenden Konsequenzen.

Zum einen kommuniziert nur die Kommunikation, also das soziale System, keine Menschen. Sie sind als Einheit aus biologischem und phsychischem System eine Voraussetzung für die Kommunikation aber nicht Bestandteil dessen.

Denn sie ist die Einheit aus der dreifachen Selektion Information, Mitteilung und Verstehen. Nicht die Mitteilungsabsicht des Senders (Alter), sondern die Interpretation der Differenz zwischen Information und Mitteilung des Empfängers (Ego) entscheidet darüber, ob Kommunikation vorliegt oder nicht.

Daraus lässt sich auch direkt schlussfolgern, dass die Kommunikation keinen Zweck verfolgt. Sie prozessiert einfach nur und wegen ihrer inhärenten Unvollständigkeit macht sie Anschlusskommunikation wahrscheinlicher.

Luhmann bricht auch mit Konzept der Informationsübertragung, denn Informationen sind Irritationen denen Informationswert zugeschrieben wird und daher nicht per se in der Natur vorhanden. Sie sind subjektive Konstrukte.

Was können wir daraus bisher lernen?

Dass eine Organisation ihre Tätigkeiten koordinieren kann liegt nur daran, dass Kommunikation nicht auf die Interaktion zwischen Anwesenden zur selben Zeit am selben Ort begrenzt ist. Medien ermöglichen Fernkommunikation und damit die Möglichkeit die Grenzen zwischen Raum und Zeit zu überschreiten, um die Aktionen vieler Individuen an unterschiedlichen Orten abzustimmen. Der Trick überlebensfähiger Organisationen ist also der, dass sie durch ihre eigenen Routinen dafür sorgt, dass die Teilnehmer an Kommunikationen austauschbar bleiben, während Kommunikationsmuster reproduziert und erhalten werden können.

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Der Zweck von Hierarchie

Der Zweck von Hierarchie

Alles muss „agilisiert“ werden. Hierarchie lähmt. Hierarchie muss abgeschafft werden. Um heutzutage bestehen zu können, müsse man „selbstorganisiert“ arbeiten können, was auch immer das bedeuten mag. Dem entgegen steht die schon fast militärischen Strukturen der Großkonzerne. Nichts darf selbst entschieden werden. Der Prozessgehorsam als der heilige Gral für die steile Karriere. Die Dichotomie und der Idealismus ist ein Anzeichen fehlender Unterscheidungen. Welchen Beitrag liefern Hierarchien in Organisationen? Sind sie notwendiger Bestandteil oder nicht? Eine Frage, die sich nicht in einem Artikel beantworten lässt. Hier dennoch ein Versuch. Inspiriert wurde ich durch das Buch „Einführung in die systemische Organisationstheorie“ von Fritz B. Simon.

Die zweiwertige Logik von Raum und Zeit

Der wesentliche Unterschied und auch Vorteil von Organisationen gegenüber einzelnen Individuen (Akteuren) ist, dass sie nicht an die zweiwertige Logik von Raum und Zeit gebunden sind. Wenn ein Individuum zwei Ereignisse zur selben Zeit beobachten kann, dann müssen diese räumlich getrennt sein. Da der Mensch sich immer nur an einem Ort gleichzeitig aufhalten kann, müssen Handlungen zeitlich voneinander getrennt sein. Nehmen wir ein konkretes Beispiel: Ein Mensch befindet sich an einer Weggabelung. Er erhält folgende Handlungsanweisungen: (1) Geh nach links – Gehst du nach rechts wirst du bestraft. (2) Geh nach rechts – Gehst du nach links wirst du bestraft. Diese paradoxe Handlungsanweisung (pragmatische Paradoxie nach Paul Watzlawick et al. 1967, S. 178 ff.) kann nicht logisch richtig entschieden werden. Die Frage nach dem richtigen Weg ist unentscheidbar – eine sogenannte „unentscheidbare Entscheidungsprämisse“. Nicht offensichtlich ist, dass es neben den vorgegebenen zwei Handlungsalterantiven noch zwei weitere gibt. Dadurch ergibt sich ein „Tetralemma“.

Gehe nach rechts (nicht nach links)

Gehe nach links (nicht nach rechts)

Gehe weder nach rechts noch nach links

gehe sowohl nach rechts als auch nach links

Die einzigartige Qualität von Organisationen

Die Lösung sowohl nach rechts als auch nach links zu gehen, ist für ein Individuum unmöglich. Die Lösung des Problems liegt in der Bildung einer Organisation. In Organisationen wird die Handlungsunfähigkeit einzelner Akteure durch die Koordination vieler widersprüchlich zueinander aber in sich widerspruchsfreien agierender Subsysteme (z.B. Abteilungen) ersetzt. Die Organisation unterscheidet sich vom Individuum dadurch, dass sie gleichzeitig Handlungen ausführen kann, die sich gegenseitig logisch ausschließen.
Dadurch bleibt sie handlungsfähig, obwohl die Abteilungen widersprüchlich agieren. Eine Abteilung läuft nach rechts, die andere nach links, eine weitere geht weder nach rechts noch nach links und dadurch sind in der Organisation alle Handlungsalternativen gleichzeitig ausgeschöpft. Sie geht sowohl nach rechts als auch nach links und weder nach rechts noch nach links. Sie kann „Paradoxie entfalten“ (Luhmann 1993, S 294). „Die Einheiten (Abteilungen) bilden gemeinsam eine Struktur, deren definierendes Merkmal die Unentscheidbarkeit ist. Denn die Organisation kann sich nicht dauerhaft für die eine oder andere Seite entscheiden, wenn beide (viele) Funktionen für die Organisation lebenswichtig sind.“ (Simon 2019, S. 120)

Hierarchie schafft Handlungsfähigkeit

Auf Basis dessen gewinnt die Hierarchie eine ganz andere Bedeutung. Hierarchie sorgt dafür, dass die Organisation handlungsfähig bleibt, indem sie Entscheidungsprämissen zur Verfügung stellt, auf Basis derer neue Entscheidungen getroffen werden können. Und damit ist nicht die Sachautorität gemeint, weil die meisten fachlichen Entscheidungen von denen getroffen werden (müssen!), die über das nötige Fachwissen verfügen, sondern das Auflösen der zwangsläufig auftretenden widersprüchlichen Handlungsinteressen, die durch das gleichzeitige ausführen widersprüchlicher Aktionen der Abteilungen, auftreten. In Situationen, in denen genug Zeit zur Kommunikation ist, gewinnen Kompetenzen und Erfahrungen an Bedeutung, die nicht an der Spitze der Hierarchie konzentriert sind. Im besten Fall sind so Entscheidungen „intelligenter“, als die des Einzelnen (Simon 2004, S.156 ff.). Aber Hierarchie hat die Aufgabe die wesentlichen Umwelten einer Organisation zu beobachten und darüber zu informieren. „Man kann etwa sagen, dass sich die Funktion und Legitimation hierarchischer Unterordnung aus den besseren oder wichtigeren Umweltkontakten ergeben, die sich an der Spitze zentrieren lassen. Der Chef ist Resourcenbeschaffer, auf der Ebene kleinerer Arbeitseinheiten  wie auf der Ebene hochkomplexer Systeme. Er transformiert Irritation in Information.“ (Luhmann 2000, S. 37)

Hierarchie bestärkt Selbstorganisation

Ein weiterer wesentlicher Vorteil von Hierarchie ist das Paradox, dass die reine Anwesenheit von Hierarchie ihre Aufgabe teilweise überflüssig macht. Konflikte werden direkt gelöst, weil die Konsequenzen einer hierarchischen Entscheidung („Machtwort“) unvorhersehbar sind. Die Anwesenheit von Hierarchie bestärkt schon die Selbstorganisation.

Mehr zu dem Thema auch im Podcast von David Symhoven auf Spotify oder Apple Podcast und überall wo es sonst Podcasts gibt.

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Quellen:

– Luhmann, N. (1993): Die Paradoxie des Entscheides. Verwaltungs-Archiv 84 (3): 287-310

– Luhmann, N. (2000): Organisation und Entscheidung. Frankfurt am Main (Suhrkamp)

– Simon, F., B. (2019): Einführung in die systemische Organisationstheorie. Heidelberg (Carl-Auer)

– Simon, F., B. (2004): Gemeinsam sind wir blöd!? Die Intelligenz von Unternehmen, Managern und Märkten. Heidelberg (Carl Auer)

– Watzlawick, P., J., H. Bevin, D.D. jackson (1967): Menschliche Kommunikation. Bern (Huber), 1969

 

Der naive Wunsch nach flachen Hierarchien

Der naive Wunsch nach flachen Hierarchien

Agilität heißt heutzutage auch meist: Abschaffen von Hierarchie. Doch das ist unrealistisch und meist auch naiv. Damit setzt die agile Bewegung ihren Holzweg weiter fort. Agilität ist zur Management-Mode geworden. Und wie alle Moden vor ihr auch, adressiert sie mittlerweile im Kern kein Problem des Marktes mehr, sondern eine Angst. Eine Angst, die inhärenter Bestandteil jedes Unternehmens ist und auch nie verschwinden wird. Nämlich die Angst vor dem Aus – dem wirtschaftlichen Tod.

Wer sich heute nicht agil aufstelle, wird in ein paar Jahren nicht mehr existieren – so die Prediger.

In einem älteren Artikel habe ich bereits erste Argumente angeführt, warum Hierarchie wichtig ist. Mit diesem Artikel möchte ich diese Liste erweitern.

Hierarchie spielt das Spiel der Zukunft

Da Organisationen als soziale Systeme von ihrer Umwelt erzogen werden, müssen sich innerhalb Strukturen bilden, die die Bedürfnisse der Außenwelt (Markt) befriedigen können. Alles was sich als nicht destruktiv oder schädlich erweist, wird beibehalten, weil es eine nicht schädliche Funktion übernimmt. Also ist die Frage, welche Funktion(en) hat Hierarchie? Eine davon ist das Spiel der Zukunft zu spielen. Während ein Großteil der zur Verfügung stehenden Mittel in der Peripherie (Operative) für das Befriedigen von heutigen Kundenbedürfnissen eingesetzt werden, wird ein weiterer Teil im Zentrum (Strategie) dafür genutzt, um auch in der Zukunft weiterhin Wertschöpfung betreiben zu können. Deshalb hat das Zentrum u.a. die Funktion einen anderen Zeithorizont zu betrachten und im engen Kontakt mit den wesentlichen Umwelten zu stehen.

Hierarchie macht unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlich

Darüber hinaus führt Hierarchie und damit Macht dazu, dass unwahrscheinliche Kommunikation wahrscheinlicher wird. Und mit Kommunikation ist hier die dreifache Selektion aus Information, Mitteilung und Verstehen gemeint, was bereits in einem anderen Artikel näher erläutert wurde.

Denn die Frage ist, wie es zur Kommunikation kommt, obwohl sie äußerst unwahrscheinlich ist. Es könnte schließlich auch ganz anders sein und die nahezu unendliche Vielzahl an Möglichkeiten anderes zu tun, reduziert die Wahrscheinlichkeit weiter. Warum sollte ich die Zahlung meines Gegenübers bei dem Verkauf eines Gegenstandes annehmen? Warum arbeite ich an einem wissenschaftlichen Text? Warum sollte ich die Anweisung meines Chefs befolgen?

Die Frage, die Systemtheoretiker interessiert, ist, warum Kommunikation fortgeführt wird, obwohl sie zunehmend unwahrscheinlicher wird? Z.B. hat sowohl die Ausdifferenzierung der Sprache als auch die Verschriftlichung, die die räumliche und zeitliche Reichweite von Kommunikation massiv ausgedehnt hat, die Erfolgswahrscheinlichkeit für Kommunikation im Luhmannschen Sinne extrem verringert.

Die Antwort auf diese Probleme liefert Luhmann mit den symbolisch generalisierten Kommunikationsmedien. Und Macht ist eines davon. Geld, Liebe, Glaube und Wahrheit sind weitere, jeweils für das gesellschaftliche Funktionssystem Politik, Wirtschaft, Familie, Religion und Wissenschaft.

Macht motiviert zur Kommunikation. Als Angestellter tue ich Dinge, die ich ohne die möglichen Konsequenzen der formalen Macht nicht tun würde. Und ich kann unter dem Deckmantel der Macht, Kommunikationen in der Organisation weiterreichen (Der Chef hat nach xy gefragt, kannst du das bitte übernehmen?)

Macht wird als Symbol markiert, weil es nicht die eine „Macht“ gibt. Und nur weil ich Macht habe, ist unklar, inwieweit diese auch genutzt wird. Ich beziehe mich lediglich auf das Symbol der Macht – kann es also weitergeben – und davon ausgehen, dass andere das Symbol aufrufen und „genauso“ Gebrauch davon machen. Generalisiert bedeutet dann lediglich, dass das Symbol über meinen spezifischen Zusammenhang hinaus generalisiert wird und an anderer Stelle zur Geltung gebracht werden kann.

Durch ihre Selektivität – es geht auch als Angestellter im Wirtschaftssystem nur um Zahlung / nicht Zahlung und daher muss ich nicht auch gleichzeitig ein guter Ehemann sein, an Gott glauben oder die Wahrheit herausfinden – motiviert das Medium Macht zur Fortführung der Kommunikation und dadurch trägt es zum Fortbestand von Organisationen bei.

Macht ist also notwendig und bahnt sich seinen Weg. Wenn sie nicht ausreichend anwesend ist (z.B. in Form von Hierarchie), findet sie einen anderen Weg, um die oben genannte Funktion zu erfüllen. Ob dieser dann besser oder schlechter ist, ist unklar. D.h. das undifferenzierte Abschaffen von Hierarchien, kann in Organisationen, in denen Macht einen wesentlichen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Unternehmens leistet (z.B. weil die Umwelt stark politisch geprägt ist) ungewünschte Nebeneffekte erzeugen.

Steuerung ist das falsche Instrument für Überraschungen

Der Schrei nach flachen Hierarchien ist deshalb genauso die Fortsetzung des Holzweges, wie das Vorhaben, die Belegschaft an allen Entscheidungen zu beteiligen. Wenn wir davon ausgehen, dass Organisationen Wertschöpfung für ihre Kunden betreiben müssen, um dadurch mehr Geld einzunehmen als auszugeben, dann ist das Lösen von Problemen des Marktes die Hauptaufgabe jeder Organisation.

An jenen Stellen einer Organisation, an denen Steuerung dysfunktional wird, weil sie als Managementinstrument nicht zu der Art von Problemen passt, die sie vorgibt lösen zu wollen, helfen flache Hierarchien auch nicht weiter. Denn die Grundidee ist derselbe. Nämlich Steuerung – also das Lösen von Problemen durch das zur Verfügung stellen von Wissen. Ob nun flach oder steil, der Unterschied ist in der Wirkung marginal.

Es braucht also eine Alternative für jene Stellen der Organisation, wo das Maß an Überraschung dauerhaft hoch ist, also genau die Probleme, für die es noch kein Wissen geben kann – sonst wären es ja keine Überraschungen. Hier wird der Steuerungsimpuls zur Havarie. Und die Alternative heißt „Führung“.

Führung ist allerdings, wie alle sozialen Phänomene, nicht kausal erzeugbar. Sie ist ein Mechanismus, der durch das System einzelnen Akteuren zugeschrieben wird. Führung ist sozial legitimiert. Anders ausgedrückt: Führung ist das, wenn andere einem freiwillig folgen. Und das entscheiden andere, nicht man selbst.

Die Aufgabe von Führungskräften ist es dann, Probleme zu adressieren und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sodass Könner die Möglichkeit haben, abseits der Norm in Schutzräumen, das zu tun, was sie am besten können: Probleme lösen. Damit sie das effektiv tun können, brauchen sie formal Mächtige, die sie schützen, aber sie in Ruhe lassen.

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5 Kriterien für Teams

5 Kriterien für Teams

So gut wie jede Organisation setzt heutzutage auf selbstorganisierte Teams. Dieses Wort wird so inflationär genutzt, dass es sich meiner Meinung nach lohnt die Bedeutung des Wortes zu hinterfragen. Arbeitest du in einem echten Team oder in einer losen Gruppe zusammengewürfelter Menschen? Hier ein paar Impulse, mit der Absicht dir ein differenzierteren Blick auf Teams anzubieten.

Taylorismus ist nicht böse. Er muss nur erweitert werden

Gerade in der agilen „Szene“ wird der Taylorismus – meist mit dem Zusatz, das sei die alte Welt – verteufelt. Wiedermal die Denkfall der Dichotomie. Zwei Seiten. Gut und Böse. Die Moral steht uns leider meist beim Denken im Weg. Was wäre, wenn es keine „alte“ und „neue“, respektive „böse“ und „gute“ Welt gäbe? Für mich gibt es nur die eine. Und heute ist die Fortsetzung von gestern. Alles was gestern war, trägt zum heute bei. Deshalb braucht es keine Ablösung des Taylorismus, sondern eine Ergänzung. Und damit einhergehend braucht es auch nicht überall Teams (die den Begriff Team verdienen), sondern auch lose, zusammengewürfelte Gruppen, oder auch Einzelkämpfer. Mitarbeiter:innen im wahrsten Sinne des Wortes. Hier und da hat man was miteinander zu tun, aber von einer gegenseitigen Abhängigkeit, geschweige denn einer vertrauensvollen Bindung kann da nicht die Rede sein. Und die braucht es auch nicht (überall).

Der Taylorismus zeichnet sich meist durch funktionale Differenzierung der Arbeitseinheiten aus. Die Wette ist, dass durch das Zusammenfassen ähnlicher Aufgaben enorme Effizienzgewinne entstehen. Das Ergebnis sind Abteilungen. Sie eignen sich, um blaue Probleme mit hoher Effizienz zuverlässig und reproduzierbar zu lösen. Teams hingegen sind das Ergebnis funktionaler Integration. Sie teilen ein gemeinsames Problem. Sie lösen komplexe Aufgaben, während lose Gruppen (Abteilungen) sich den komplizierten Themen der Linie widmen.

5 Kriterien an denen du echte Teams erkennst

1. Die externe Referenz als Antreiber

Nur in den Teilen der Organisation, in denen die Wertschöpfung der Ausnahme die Regel ist, braucht es echte Teams. Und die brauchen echte Probleme – oder Herausforderungen wie man neudeutsch sagt, um überhaupt existieren zu können. Die externe Referenz – also ein für die Organisation nicht zu ignorierendes Problem des Marktes – ist die Existenzgrundlage eines Teams. Sie alleine schweißt zusammen. Sie alleine ist Motivation genug. Keine Lösung, kein Erfolg. Und das heißt übrigens auch, dass Konflikte normal sind. Konflikte sind der Treiber jeden Fortschritts. In echten Teams kann es wirklich zur Sache gehen, denn es geht ja auch um was. Es geht um echte, volle Verantwortung für das jeweilige Thema.

2. Funktionale Integration

Sie vereinen mehrere, zur Lösung des Problems notwendige, Kompetenzen. Das ist die funktionale Integration. Dadurch wird eine Co-Abhängigkeit erzeugt. Jeder trägt mit seinen Fähigkeiten einen notwendigen Teil zur Problemlösung bei. Fällt ein Mitglied aus, steht das gesamte Vorhaben auf der Kippe. Nicht selten muss bei einer Neubesetzung die gesamte Teamkonstellation neu gedacht werden. Wie im Fußball kann das Auswechseln eines Spielers dazu führen, dass gleich mehrere ausgetauscht, oder die Taktik angepasst werden muss, um die Gesamtleistung des Systems wieder herzustellen. Die Passung des Teams ist relevanter für die Gesamtleistung, als die Leistung der Einzelpersonen. Die Summe des Ganzen ist mehr als die Summe der Teile.

Idealerweise befinden sich die Kolleg:innen in unmittelbarer kommunikativer Reichweite zueinander. Entweder vor Ort oder digital durch eigene Kanäle. So werden kommunikative Ressourcen geschont und gleichzeitig sichergestellt, dass alle Mitglieder des Teams Zugang zu den selben Informationen haben. Das wiederum erleichtert die schnelle Entscheidungsfindung.

3. Teamstifter

Jedes Team wird von einem Teamstifter initiiert und durch einem Sponsor mit formaler Macht geschützt (zu Schutzräumen in einem späteren Artikel mehr). Der Teamstifter hält ein vertrauensvolles Verhältnis mit dem Sponsor und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Team abseits der formalen Regeln tatsächlich agieren kann. Das ist von kritischer Bedeutung. Bröckelt das Vertrauen in den Teamstifter und den Sponsor das Team vor der Übergriffigkeit des formalen Wahnsinns der Organisation zu schützen, leidet die Wirksamkeit und damit der Beitrag zur Wertschöpfung enorm. Das Vorhaben ist zum Scheitern verurteilt.

4. Die Teammitglieder sind freiwillig Teil des Teams.

Menschen entscheiden sich, anderen Menschen und ihren Ideen zu folgen. (Sozial legitimierte) Führung kann nicht hergestellt werden, sondern ist ein soziales Phänomen, dass durch das System anderen zugeschrieben wird. Deswegen würde ein Systemtheoretiker die meisten Führungskräfte auch eher „Steuerungskräfte“ nennen. Nur wenn Menschen eine Wahl haben und sich an Aussagen reiben können, ohne formale Konsequenzen befürchten zu müssen, kann ein echtes Team entstehen. Deshalb ist die Freiwilligkeit und damit einhergehend auch die Möglichkeit sich anders zu entscheiden für den Erfolg des Teams von kritischer Bedeutung.

5. Der Kern des Teams arbeitet Vollzeit im Team.

Die Idee man könne Arbeitszeit gleichmäßig auf mehrere Projekte aufteilen, um so effizienter voran zu kommen, kann sich in überraschungsreichen Umgebungen nicht halten, wohl aber in überraschungsarmen, komplizierten. Nur genau da, braucht es ja keine Teams, wie bisher erläutert. In der komplexen Wertschöpfung, in der es auf die problemlösungstauglichen Gefühle (Intuition) der Beteiligten ankommt, braucht es Zeit, Freiraum, die Möglichkeit Ideen auszuprobieren und auch scheitern zu dürfen. Ja das ist sogar die Regel – und zwar Vollzeit. Solange bis die externe Referenz befriedigt ist. Mit vollem Fokus, ohne zusätzlichen Kontextwechsel und mentalen Ballast aus der Linie. Wären nämlich weiterhin mehrere Teammitglieder zu x% mit Linientätigkeiten beschäftigt, steigt der Koordinationsaufwand enorm, weil ja nie alle Mitglieder gleichzeitig zur Verfügung stehen. Verschwendung!

Ist eines dieser Kriterien nicht erfüllt, würde ich nicht von einem Team, sondern einer losen Gruppe sprechen. Sind alle Kriterien gegeben, heißt das noch lange nicht, dass ein Team entsteht. Es wird lediglich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass es passieren kann.

Teams können nicht kausal hergestellt werden

Teambuilding kann nicht halten, was es verspricht, denn schon der Begriff suggeriert, dass sich Teams kausal herstellen ließen. Aber Teams sind als soziales System (genau wie Organsationen) operativ geschlossen und informativ offen (worauf ich in anderen Artikeln oder im Podcast eingegangen bin). Das bedeutet, dass von außen zwar Einfluss genommen, aber kein gewünschter Zustand kausal hergestellt werden kann. Einfacher ausgedrückt: Du kannst Menschen nicht nach deinem Belieben ändern oder in sie hineindenken. Ganz abgesehen von der Übergriffigkeit die damit einhergeht. Aufgabe ist es stattdessen Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Wahrscheinlichkeit für den gewünschten Erfolg erhöhen, ganz unabhängig von den Werten, Einstellungen und Haltungen der Menschen. Auch der Wunsch Vertrauen zwischen den Teammitgliedern herstellen zu wollen, ist die selbe gedankliche Sackgasse. Gemeinsam klettern und absichern, sich fallen lassen und gefangen werden, sich blind durch den Raum navigieren lassen ist nett, aber letztendlich auch nur Business Theater und befeuert nicht selten bei dem ein oder anderen Zynismus. Vertrauen kann nicht kausal hergestellt werden. Es ist das Ergebnis von mehrfach erfüllter Erwartung und zwar im passenden Kontext. Ob ich jemandem vertraue, dass er mich abseilen kann, ist etwas ganz anderes, als das Vertrauen in der Zusammenarbeit im Kontext der Arbeit. Jemand kann mich gut abseilen und trotzdem keinen guten Job auf der Arbeit machen. Das Gegenteil ist genauso wahr. Mehr echte Arbeit und weniger sinnlose Beschäftigung ist ein alternativer Ansatz für „Teambuilding“. Das gemeinsame und erfolgreiche Lösen von Problemen erzeugt auf lange Sicht Vertrauen. Kein Klettergarten.

Kommunikative Ereignisse lassen sich nicht übertragen

Systemtheoretisch betrachtet bilden sich je nach Umgebung neue soziale Systeme. Die System / Umwelt Differenz ist in der Kletterhalle eine andere, als beim Billard Spielen und noch mal eine andere in der Arbeit. Das erkennt man an den unterschiedlichen Gesprächen, die stattfinden. Um in der Gruppe klettern zu können, muss ich anders miteinander reden, als wenn die selbe Gruppe Billard spielt und noch mal anders, wenn es um Kundenprobleme geht.

Mehr zu dem Thema auch in meinem Podcast auf Spotify oder Apple Podcast und überall wo es sonst Podcasts gibt.

 

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